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 »Eisenblut«
mit Holger Küper
Ein Praxisbeispiel für die Rolle der künstlerisch- technischen Werkstätten bei der Umsetzung künstlerischer Projekte
A: Was machst du da?
B: Ein Stück Stahl.
A: Ach so, nur ein Stück Stahl.
A: Wie lange dauert das?
B: Bis es ein Stück ist.
A: Warum kaufst du das nicht?
B: Weil ich mit dem Material zusammen entstehen möchte.
Das Feuer, der Schweiß, die Hitze auf der Haut. Die Angst, die manische Leidenschaft, der Schmerz, der Kampf. Die Freude, die Klarheit, die meditativen Mo- mente, die Erschöpfung. Die Ruhe, die Zeitlosigkeit des Momentes. Zu erleben, wie aus wie aus Teilen ein Ganzes wird.
Die Fülle an Gefühlen, die ich erlebe, wenn etwas entsteht. Es ist, wie das Leben selbst zu spüren.
Unser Körper ist ein brennender Ofen. Durch Eisen im Blut atmen wir. Kohlenstoff ist der Baustein und die Energiequelle unseres Körpers.
Wie ein Wesen wurde Stahl betrachtet, Schwerter bekamen Seelen, die sich in ihren Schweißmustern wi- derspiegelten. Und die Gedankenwelt mehrerer Jahr- hunderte beschreibt.
Das Eisen aus einem Rennofen ist jedesmal anders. Es entspricht in keinster Weise einem Industrieprodukt. Es besitzt sehr viel Individualität, die man erst ent- decken muss.
Es widerspricht einem Massenprodukt aus dem Stahlwerk, dessen Zusammensetzung sehr genau ein- stellbar ist und für die jeweilige Funktion zu Millionen Tonnen angepasst wird.
Wir alle genießen die Vorzüge dieser Industrie, arbei- ten mit ihr und in ihr. Im Gegenzug passen wir uns der In- dustrie an, in unserem Denken und unserer Lebensweise.
Unsere Gesellschaft ist eingeteilt in Zeit, Funktion, Nützlichkeit. Dies gilt für Arbeit, Freizeit und Liebes- leben.
Der Prozess von der Erde zum Stahl als Metapher für Leben, das ist ein unscheinbares einfaches Stück Stahl für mich.
Bei der Umsetzung des Projekts gab es viele Hürden zu überwinden, da ein vor Jahrhunderten normaler hand- werklicher Vorgang heute auf große Widerstände stößt.
Viele Sicherheitsgenehmigungen mussten eingeholt werden. Es musste die Frage gelöst werden, wie man einen Ofen baut, der 1.300 °C erreichen kann und, ohne Risse zu bilden, den Betrieb aushält. Dabei gab es viele Parallelen zum experimentellen Ton- und Keramik-Bren- nen, und ich danke Verena Stieger, Leiterin der Keramik- werkstatt, für Austausch und Tipps. Zur Anfeuerung und Konstruktion bedurfte es viel Holz, wozu die Holzwerk- statt beitrug. Die Frage, welches Erz verwendet werden soll, konnte mithilfe von Fairy von Lilienfeld, Leiterin der Werkstatt für Maltechnik, gelöst werden: Hämatit, eines der reinsten und am einfachsten zu verarbeitenden Erze, das als Pigment in der Farbherstellung verwendet wird. Eine ständige Hilfe bei der Beschäftigung mit Eisen war der Austausch mit Christoph Herchenbach, Leiter der Metallwerkstatt. Den Mut zu haben, die Arbeit kon- sequent und präzise durchzuführen, dabei waren meine Professoren Maik und Dirk Löbbert eine große Stütze.
Insgesamt dauerte der Prozess von der Idee bis zum Ergebnis mehrere Monate. Am Ende war es da – ein ein- zigartiges Stück Eisen. Holger Küper
    












































































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