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Lara Kaiser
»Schlechtere Tage kommen frühestens morgen«
Man glaubt schon im ersten Moment zu erkennen, was Lara Kaisers Gemälde zeigen: Die Wand-Ecke eines fast leeren Innenraums, unten Fußbodenleisten, ein einzelner Stapeltisch an der Seite. – Ein dunkler Dachboden, in den ein wenig Licht aus einer Dachluke fällt, eine ausge- besserte Wand, schräge Dachbalken, ein Bretterboden, ein paar herumliegende Kisten. – Auf einer dunklen Zimmerwand ein heller Lichteinfall in Trapezform, unten ein Wandboard, auf dem ein kleines hellweißes Quadrat angelehnt steht (vielleicht ein Spiegel oder ein Buchdeckel, man erkennt es nicht). – Beiläufige Dinge und Räume, der Beachtung nicht wert.
Vertieft man sich in die kleinen Gemälde von Lara Kaiser, so fällt immer mehr der Umgang mit der Farbe auf: Im tiefen Dunkel glimmen Helligkeiten verhalten auf oder leuchten hervor. Pinselspuren erheben sich ein we- nig aus der Fläche oder verschmelzen mit ihr. Im ausge- dehnten Dunkel zeichnen sich Formen ab und sinken wie- der in sie ein. Dämmerige Abstufungen durchziehen eine gleichmäßige Fläche mit verhaltener Bewegung. Warmes
01 Ausstellungsansicht im Foyer
Rotbraun schimmert durch kühles Blau hindurch. Helles Blau verblasst – als würde es von hinten durchleuchtet. Eine etwas erdige Mattheit dämpft das Strahlende eines hellen Weißgelb ab. Schimmernd-schwingendes Rot-Violett verschmilzt mit grenzenloser Dunkelheit. Eine scharfe Gerade rast an weichen, leicht welligen Bahnen vorbei – und löst sich auf in zarte Transparenz.
All diese malerischen Vorgänge beherrscht Lara Kaiser virtuos – und setzt sie doch wie selbstverständ- lich ein. Die malerischen Effekte treten nicht in den Vordergrund, sondern bleiben fast still. Und vor allem: Sie bleiben nicht nur Vorgänge der Malerei. Was wir sehen, sind Gegenstände, Räume, Lichtsituationen. Die Malerei, der vielfältige Umgang mit Pinsel und Farbe, lässt sich nicht von den Gegenständen trennen. Das Ziel dieser Malerei besteht dennoch nicht darin, Ge- genstände darzustellen. Eher umgekehrt: Die flüchtig wahrgenommenen Dinge und Räume lenken unseren Blick auf den Reichtum und die Dramatik der Malerei. Sie setzt die Farbe in Bewegung – und auch den Blick. Damit holt sie die Gegenstände aus dem Schatten ihrer Nebensächlichkeit hervor. Sie gibt ihnen eine Präsenz, die unmittelbar berührt – weniger als greifbare Dinge, sondern eher als halb Vergessenes, als Atmosphäre und als Licht-Situation. Erich Franz
Lara Kaiser Geboren 1996 in Witten. Seit 2014 an der Kunstakademie Münster. Studierte bei Prof. Cornelius Völker. Seit 2022 Meisterschülerin.
lara-kaiser.com
  18   10   2022
       
























































































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