Page 204 - Preview
P. 204

Personalien
  Prof. Daniele Buetti
Langjähriger Professor für Bricolage wurde mit Ablauf des Sommersemesters 2022 in den Ruhestand verabschiedet
»Sie können ALLES machen und sie machen ... DAS!?« (Zitat Buetti). Eigentlich ist das eine Frage. Niemand kann bestreiten, dass die Möglichkeiten der Kunst un- endlich und unfassbar vielfältig sind, aber – und das ist das einzige Kriterium: Sie müssen am Ende dieser Buetti’schen Frage standhalten können. Für eine Kunst der Gegenwart, für dieses herausfordernde, schöne, aber auch schwere, augenzwinkernde, manchmal ab- gründige, nicht allzu ernste, aber doch existenzielle und entscheidende, auch niederschmetternde, oft absurde, immer auch poetische, filigrane und hemmungslose und hoffentlich am Ende glückende Abenteuer der künstleri- schen Praxis waren die Person Daniele Buetti und seine Klasse für fast zwei Jahrzehnte an der Kunstakademie Münster eine lebendige Einladung.
Die Ausbildung von Persönlichkeiten ist ja als Bil- dungsziel von Kunsthochschulen hinlänglich oft for- muliert. Aber was soll das heißen? Daniele Buetti hat darauf seine eigene Antwort gegeben, die sich nun selbstverständlich nicht so einfach in diese Zeilen hier bringen lässt. Immerhin könnte es sich lohnen, ein paar sachdienlichen Hinweisen nachzugehen, nicht zuletzt, um damit einen Dank zum Abschied zu verbinden für die vielen prägenden Spuren, die seine souveräne, un- abhängige Haltung und die daraus resultierende Kultur des notwendigen Einspruchs an dieser Hochschule und den Generationen von Studierenden hinterlassen hat.
Der Rundgang der Klasse Buetti schien von Anfang an ein Spielfeld der bereits erwähnten entschiedenen Haltung zu sein. Viele Rundgangsprojekte der Klasse
Buetti sind legendär geworden, wie die von Christie’s professionell durchgeführte Selbstversteigerung »Ar- tist for sale«, bei der die Künstler*innen sich in jeweils individuell gestalteter Form temporär den Käufer*innen zur Verfügung stellten; »Ich bin ein Star, holt mich hier raus!«, der riesenhafte Kubus aus akribisch archivier- tem temporären Abstellmaterial, der den Klassenraum bis auf einen schmalen Umgang vollständig ausfüllte oder »768,59«, das größte Rubbellos aller Zeiten und viele mehr. Am Ende des Textes findet sich der Versuch einer historischen Rekonstruktion der Liste. Wer sich erinnert, mag sich erinnern, wer nicht dabei war, mag in alten Jahrbüchern oder Presseberichten recherchieren oder nach Augenzeugen fahnden.
Die Klassenprojekte als Markenzeichen für Daniele Buettis Lehre an der Kunstakademie Münster zu neh- men, ist sicher unzulässig verkürzend, sie können aber vielleicht exemplarisch stehen für eine spezifische Hal- tung, die im Rückblick für seine Lehre essenziell schien. Es waren selbstverständlich gemeinsame Projekte der Klasse, um deren Thema und Form oft in langen Prozes- sen gerungen werden musste. Aber sie standen auch im Zeichen einer künstlerischen Ermächtigung, die über sie hinausging. Sie waren von einer unverfrorenen und dafür umso erhellenderen »Konsequenz des Machens« und hatten vielleicht gerade deswegen das Potenzial, auch die Einzelnen in ihrem Mut zur eigenen individuellen Konsequenz herauszufordern.
Es scheint, dass Daniele Buetti seine Studierenden dazu veranlasst hat oder zumindest in seiner Art zu lehren implizit die Aufforderung steckte, sich bereits im Studium, im Hier und Jetzt, in die Welt (da draußen oder hier drinnen) zu verstricken: Die Kunst in den Alltag tragen und den Alltag der Kunst aufs Korn nehmen, sich an den eigenen Grenzen und Gewohnheiten abarbeiten, mit dem arbeiten, was schon da ist – »Bricolage« in einem fundamentalen Sinne – Keine-Angst-vor-dem- Scheitern-haben ..., denn nur, wer nichts macht, kann auch nichts falsch machen!
Die Kunstakademie Münster dankt für achtzehn Jahre entschiedene Haltung, notwendigen Ein- und Widerspruch, für geistige Unabhängigkeit, für künstle- rische Entschiedenheit, gegen ökonomische, funktiona- listische und jedwede sachfremde Zwänge.
›››
    























































































   202   203   204   205   206