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  Prof. Dr. Birgit Engel
Seit 2011 Professorin für Kunstdidaktik an der Kunstakademie Münster, wurde zum Ende des WiSe 2021/22 in den Ruhestand verabschiedet.
»Sie ist nicht ... sie wird.« Birgit Engel wurde 2011 auf die neu geschaffene Kunstdidaktik-Professur der Kunstaka- demie Münster berufen und wechselte daraufhin aus dem Schul- in den Hochschuldienst, nachdem Sie u. a. an der Universität Bielefeld gelehrt hatte. Damit bekleidete sie nicht nur die erste Professur der Kunstakademie Münster, die ausdrücklich der Professionalisierung im Hinblick auf das Berufsziel Lehrer*in im Fach Kunst an der Schule gewidmet war, sondern war auch mit der Auf- gabe konfrontiert, die Kunstakademie Münster allererst zu einem kunstpädagogischen Forschungsstandort zu entwickeln. Diesem Ziel hat sich Birgit Engel von Beginn an mit Leib und Seele gewidmet.
Dabei lässt sich folgendes Zitat von John Cage als eine Art Leitgedanke für die nun folgende rasante Entwicklung verstehen. Birgit Engel selbst hat es ihrem Beitrag in der bekannten Hamburg-Köln-Züricher-Pub- likationsreihe vorangestellt, die kunstpädagogische Gegenwartspositionen im deutschsprachigen Raum versammelt:
»Sie sagen: Das Reale – und meinen die Welt, wie sie ist. Aber sie ist nicht, sie wird! Sie bewegt sich, sie än- dert sich! Sie wartet nicht auf uns, um sich zu ändern.«
Im Folgenden seien hier ausschnitthaft einige Weg- marken des Kunstdidaktik-Standortes Münster ge- nannt, durch die Birgit Engel nicht nur an der Hochschule selbst, sondern zunehmend auch nach außen gewirkt und ihre Spuren hinterlassen hat. Es begann sicher bereits mit dem ersten Hauptseminar zur Schule als KunstOrt im Sommersemester 2011, das direkt an ihre eigene schulische Berufs- und Forschungserfahrung anknüpf- te, und intensivierte sich dann unmittelbar mit einer Veranstaltung im Folgesemester zum Rätselcharakter der Kunst als Anlass für eine andere kunstpädagogische Aufmerksamkeitshaltung. Im darauffolgenden Winter- semester 2012/13 fand bereits das erste Forschungsa- telier statt, zunächst konzipiert als ein offenes Forum
für Lehrende und Studierende der Kunstakademie, die sich für einen intensiveren Austausch und Reflexion zu Grundfragen ästhetischer bzw. künstlerischer Er- fahrung zusammenfanden. Aus diesem anfangs hoch- schulinternen Forum entwickelte sich erst allmählich, dann in zunehmendem Tempo und wachsender wissen- schaftlicher Reichweite das Internationale Forschungs- kolloquium, das von der Leitfrage Kunstunterricht als Forschungsatelier? getragen wurde und inzwischen auch außerhalb der Kunstakademie mit Birgit Engel als ursprünglicher Initiatorin und Hauptakteurin weiterhin tätig bleibt. Hier sind auch bekannte Kolleginnen aus der phänomenologischen Bildungstheorie und Ästhetischen Bildung wie Käte Meyer-Drawe oder Kristin Westphal sowie internationale Kolleg*innen der Kunstpädagogik an der Kunstakademie wiederholt zu Gast gewesen. Alle schätzten die offene Atmosphäre eines gemeinsamen und grundlegenden Nachdenkens mit dem Ziel eines bildungspolitisch fruchtbaren Austauschs zwischen Theorie und Praxis in Kunstpädagogik und Ästhetischer Bildung.
Birgit Engel hat damit die Kunstakademie Münster zu einem Ort nicht nur kunstdidaktischer Lehre, sondern auch einer Forschung gemacht, die über die Landes- grenzen hinaus Beachtung findet. Es war und ist ihr dabei, so haben wir sie verstanden, stets ein besonderes Anliegen gewesen, dass die künstlerische Erfahrung der Studierenden nicht nur ein selbstverständlicher Teil ihres Studiums ist, sondern auch als ein tragender Erfahrungsgrund ihrer kunstpädagogischen Profession zur Geltung kommen kann.
Vielleicht ließe sich sagen, dass Birgit Engel in Forschung und Lehre immer wieder dem Momentum einer Veränderung auf der Spur ist, das den Anstoß für Lernen oder, besser noch, für Bildung gibt. Dafür ist ihr zufolge eine Wahrnehmung und Haltung essenziell, die aufmerksam bleibt für das Unbestimmte, für das, was sich anders als erwartet zeigt und nicht erst in einem selbstverständlichen vermeintlichen Wissen und Ver- standen-Haben quasi domestiziert werden muss, das Ungebändigte also, das einen im wahrsten Sinne des Wortes angeht. Welche Anlässe und Bedingungen solche Prozesse und welche Räume sie brauchen, wurde damit zur kunstdidaktischen Kernfrage.
Was darüber hinaus in diesem kurzen Text nicht gebührend erzählt werden kann, ist z. B.:
° wie sie 2014 mit Katja Böhme zusammen die erste
bundesweit beachtete kunstpädagogische Tagung
an der Kunstakademie Münster veranstaltete;
° wie das oben erwähnte Forschungsatelier in die Ent-
stehung des heute selbstverständlichen kunstpäda- gogischen Lehr- oder Experimentalraumes mündete, der uns allen nur schlicht als S3 vertraut ist;
° wie die Publikationsreihe Didaktische Logiken des Unbestimmten entstand, deren Herausgeberin sie ist, und die daran geknüpften beachtlichen Tagungs- aktivitäten;
° wie sie gemeinsam mit dem ganzen Kunstdidak- tik-Team der Kunstakademie Münster das Praxisse- mester im Fach Kunst aus der Taufe hob und es im Laufe der Jahre als integrativen Bestandteil kunst-
    

















































































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