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  Klasse Andreas Köpnick
Die Klasse für Film, Video und neue Medien stellte gleich zu Beginn des Sommersemesters die längst überfällige Frage nach dem deutschen Schlager! Und zwar in Form des 1982 im Schweizerischen geborenen Naturgenies mit Namen Lukas Jäger, der völlig unerwartet auf dem Radar der Indie-Pop-Insider des musikalischen Fylmklassen-Undergounds unter dem Künstlernamen »Dagobert« auftauchte. Dieser von der Bildzeitung als »Popstar aus der Abstellkammer« bezeichnete New- comer ließ die Wogen des akademischen Mediendiskur- ses hochschlagen und nicht mehr zur Ruhe kommen: Entstammt Dagoberts musikalisches Schlager-Œuvre einem gefährlichen Neo-Wertkonservativismus oder bricht sich hier ein authentisches, aber repressiv unter den Teppich gekehrtes Gefühlsleben Bahn? Der umstrit- tene Künstler wurde kurzum vorgeladen und in einem zweitägigen Intensivworkshop einer schonungslosen Analyse unterzogen.
Klärung brachte aber erst das für Juni 2022 in einer verwunschenen Wassermühle zwischen Halle und Eisle- ben anberaumte Klassen-Retreat, wo abseits täglicher Verpflichtungen und frei von akademischen Erwar- tungen weitergeforscht und ergebnisorientiert nach- gedacht werden konnte. Am verwilderten Mühlenbach entstand »Killermom« – die ultimative Antwort auf den allzu deutschen Schlager. Das verstörende Musikvideo zum vor Ort komponierten Song befindet sich, Stand Oktober 2022, noch in aufwendiger Postproduktion.
In Echtzeit, Open Air und dementsprechend »laud« begab sich Theo Quandt in den strittigen Pop-Diskurs, den er retrospektiv und komplex verschachtelt bis in den Rundgang vorantrieb: Hier wird musikalisches Material von Stimmungskanone »Almklausi« mit der Instrumental-Version von Gary Jules’ »Mad World« (de-) collagiert, welche wiederum den »Tears for Fears« der 80er entlehnt wurde: Der Medienkünstler als post-au- thentischer Co-Creator.
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