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 Jiyeon Kang
»Kampf der Stille«
29.06.2021
Drei Räume hat Jiyeon Kang in intensive Kunstwerke verwandelt. Emotionale Dichte erfüllt jeden Raum. Politische Emotionalität. Nord- und Südkorea – unver- einbare Nähe.
Zwei hohe schwarze Stelen stehen sich gegenüber. Wie zwei Pole in einem Magnetfeld stellen sie im Raum eine Spannung her. Schwarze Gummibänder durchzu- cken den Abstand zwischen den Stelen und berühren an einem Punkt eine Seitenwand oder den Boden. Nervöse Starrheit. Der Ton: Schritte im Kies, Hüpfen. Ausgangs- punkt war ein Spiel: Gummitwist. Die Kinder sangen dazu gern ein Soldatenlied: »Ruhet in Frieden, meine Kameraden«.
Im kleineren Raum ist es dunkel. Die Tür wird hin- ter den Besuchern geschlossen. Im Schwarz der Wände flimmern schwache Punkte und Verdichtungen – wie
Sterne. Satellitenaufnahmen: Nord- und Südkorea bei Nacht. Im rechten Bereich (Südkorea) wird es heller. Abgerissene Stimmen quäken, Propagandatexte und Störgeräusche – von hier, von dort. Zwei schwarze Ringe schweben im Raum. Sie durchdringen einander, ohne sich zu berühren. An ihnen sitzen Lautsprecher. Der Titel: »Orbit der Geschichte«.
Im dritten Raum, hoch wie ein Schacht, schweben über den Köpfen farblos-transparente große Ballons, von schwachem Licht erfüllt. Sie drängen sich aneinan- der und verhindern den Blick nach oben. Transportmittel für Propaganda. Nordkorea verwendet runde Gummi- ballons, Südkorea längliche Polyäthylenschläuche. Von jedem Ballon hängt eine Schnur bis zum Boden. Auch dieses Werk erfüllt den Raum. Leicht und bedrängend, hoch und beengt, hell und ohne Lichtquelle. Der Titel: »Kampf der Stille«.
Erich Franz
Jiyeon Kang
Geboren 1986 in Yeongdong, Südkorea. Seit 2015 an der Kunstakademie Münster. Studierte bei Prof. Aernout Mik. Seit 2019 Meisterschülerin.
01 / Ausstellungsansicht: »Ruhet in Frieden, meine Kameraden«
 






















































































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