Page 218 - Jahrbuch21_20220207.indd
P. 218

 Alisia Gösling
»[raɪ̯tsfɔl]« 13.07.2021
Ein heller Raum. An den Wänden hängen filigrane Ma- lereien. Grüne und rosafarbene Verläufe ziehen sich über Papier, goldene Sprenkel, blaue Flecken. Auf dem Boden ein Schaumberg in einem intensiven Rosa, das nicht ganz zur Materialität zu passen scheint. Ein feiner Duft durchzieht den Raum – der Duft von Badesalzen und -schäumen, die Alisia als Malutensilien erwählt hat. Wenn sie malt, geht es weniger um Komposition als um den intuitiven und sinnlichen Umgang mit ihrem Material. Dem Zufall von Verläufen und Flecken, Sprit- zern und Sprenkeln lässt sie bewusst Raum. An einigen Stellen verbleibt das Salz so dick auf dem Papier, dass es eine verkrustete, duftende Struktur bildet, die die Bilder zum Betrachtenden hin erweitert. Die Bilder drängen sich nicht auf, aber ziehen an. Doch während
01 / Ausstellungsansicht
noch auf die Bilder geschaut wird, sinkt der Seifen- berg knisternd zusammen. Die wolkenartige Struktur schrumpft und schrumpelt wie Schnee in der Sonne. Die Vergänglichkeit der Erfahrung und ihres Materials ist für Alisia ebenso wichtig wie dessen Fragilität im Entstehungs- und Bestehensprozess. Memento Mori im Kitsch? Pastellfarbene Vergänglichkeitserinnerung? Alisias Rauminstallation überträgt ein Gefühl, das über diverse Sinneserfahrungen aufgenommen wird – ein diffuses Gefühl, das spürbar, aber nicht greifbar ist. Diese Wirkmächtigkeit, die gefühlt, aber nicht klar umrissen werden kann, schlägt die Brücke zu Alisias Theologiestudium. Das Nachdenken und Nachspüren in Alisias Kosmos aus Farbe, Duft und Seifenschaum ist in vielerlei Hinsicht – raɪ̯tsfɔl.
Kerstin Hochhaus
Alisia Gösling
Geboren 1996 in Ibbenbüren. Seit 2014 an der Kunstaka­ demie Münster. Studierte bei Prof. Michael van Ofen.
 


























































































   216   217   218   219   220