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 Kerstin Hochhaus
»z. H. Kerstin Hochhaus«
06.07.2021
An den drei Wänden eines dunklen quadratischen Rau- mes werden jeweils zwei Videos im Hochformat proji- ziert. In jedem »Video-Duo« taucht Kerstin Hochhaus selbst mit einem bestimmten Blick und einer ent- sprechenden Körperhaltung auf. Die Aufnahmen sind abwechselnd Close-ups ihres Gesichts oder eines Kör- perausschnitts und Wide Shots von Kopf bis Fuß. Da die »Video-Duos« unregelmäßig erscheinen, sind wir mal von sechs riesigen Frauen umgeben, mal sehen wir nur einen einzigen Schuh.
In »z. H. Kerstin Hochhaus« flext Kerstin Hochhaus ihren Stil aus, zeigt ihre Fähigkeit, sich zu kleiden und zu präsentieren. Aber auch die Figuren in ihren tadellosen, strukturierten und gemusterten Outfits sprechen. »Ich bin gleichzeitig konservative und progressive Person.« »Ich bin gut darin, Widersprüche auszuhalten.« »Und ich bin tough. Unglaublich tough.«
Kerstins Linien sind Aussagen über Kerstin Hoch- haus. Sie hat Menschen in der Akademie gebeten, sie zu beschreiben und die dritte Person Singular (»Kerstin
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ist«) in die erste Person Singular (»Ich bin«) umgewan- delt. Da es sich bei den Befragten um Gleichaltrige handelt, liegt in den Zeilen ein Gefühl von Vergleich und Konkurrenz. Zwanzig Minuten lang spricht sie in meist sehr positiven und selbstbestätigenden Worten über sich selbst, eine Erfahrung, die anfangs beunruhigend ist und dann fast unerträglich wird, bis Kerstin in der letzten Minute unter dem Druck ihres eigenen Lobes zusammenzubrechen scheint.
Indem sie direkt in die Kamera spricht, wirkt das Werk ein wenig wie ein YouTube-Tutorial, obwohl die Bildsprache für dieses Medium zu theatralisch ist. Die Nahaufnahmen haben die Sinnlichkeit eines alten Hollywoodfilms, einer Kosmetikwerbung oder einer Burlesque-Show. Die Arbeit deutet auch die Möglichkeit an, dass Kerstin eher zu ihrem Spiegel als zu uns spricht und sich selbst einen Pep Talk hält.
Die Botschaft des Werkes ist letztlich seltsam ambivalent. Warum will Kerstin sich als diese verschie- denen Versionen von sich selbst präsentieren und wem gegenüber? Eines ist jedoch eindeutig: Dieses Werk will thematisieren, was es bedeutet, eine Frau zu sein. In Kerstins eigenen Worten, die ursprünglich von jemand anderem gesprochen wurden: »Eine Kerstin, die Femi- nismus für nicht so wichtig hielt. Das bin ich definitiv nicht mehr.«
Nicoline van Harskamp
Kerstin Hochhaus
Geboren 1994 in Heidelberg. Seit 2014 an der Kunst­ akademie Münster. Studierte bei Prof. Henk Visch und Prof. Klaus Weber. Seit 2021 Meisterschülerin.
 





















































































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