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»Das Akademie- Wartburg-Projekt erschafft Kunsträume am Aasee«
Vor Ort gibt das »Akademie-Wartburg-Projekt« Ein- blicke in den künstlerischen Erprobungstag von Kunst- studierenden mit Grundschulkindern.
2009 wurde das kunstdidaktische Bildungsformat von Dipl.-Kulturpädagogin Antje Dalbkermeyer ins Le- ben gerufen. Das Kooperationsprojekt wird seit 2016 zusammen mit der Lehrbeauftragten Sabine Lenz (Wartburg-Grundschule Münster) theoretisch-praktisch entwickelt, umgesetzt und reflektiert. Lilja Justin, Studentin an der Kunstakademie Münster, unterstützt die Prozesse und begleitet die Arbeiten fotografisch.
Teamarbeit steht bei den gemeinsamen Erprobungs- projekten im Mittelpunkt. Durch die unterschiedlichen Professionen der Lehrenden und Lernenden können sich vielfältige Potenziale entfalten. Diese Mehrperspekti- vität ermöglicht eine Wechselwirkung zwischen Lernen und Lehren.
In der Verzahnung von Hochschulstudium und Grundschulpraxis werden an der Schule zweimal jährlich Kunstprojekte im Kontext einer ästhetisch-forschen- den Elementarbildung initiiert und an der Hochschule reflexiv in den Blick genommen. Hierbei stehen sowohl die individuellen ästhetischen Erfahrungen der Studie- renden und Kinder als auch das Miteinander im Zentrum.
Im Sommer 2022 wurde ein Street-Art-Projekt im öffentlichen Raum an Münsters Aasee mit den Schul- kindern aus der Lerngruppe der Wölfe unter folgender Fragestellung verwirklicht: Wie können Grundschulkin- der mit ortsspezifischen Street-Art-Interventionen zu einer ästhetischen Erfahrungsbildung angeregt werden? Und welche künstlerischen Möglichkeiten im öffentlichen Raum eröffnen ein kritisches gesellschaftliches Denken und Handeln, um ein Demokratielernen zu fördern?
Ausgangspunkt war die gemeinsame Betrachtung der Skulptur Giant Pool Balls von Claes Oldenburg, die der Künstler 1977 für die »Skulptur Projekte Münster« erstellte und auf der immer wieder neue Graffitis ent- stehen [Abb. 01]. Hieran entfachten die Studierenden mit den Kindern eine Diskussion über Kunst im öffent- lichen Raum.
Danach ging es ans eigene praktische Schaffen. In kleinen Teams gestalteten die Studierenden mit den Schulkindern große und kleine Aktionsräume.
In dem Projekt Absperrungen – Alltagsgrenzen neu betrachten wurden offene und persönliche Grenzen ge- schaffen [Abb. 02]. Mit luftigen Folien zwischen Bäumen installierten die Schulkinder begehbare Räume. Ebenso zogen sie mit Absperrband selbstbestimmte Grenzen
zwischen den »Aaseekugeln« und den dortigen Parkbän- ken und griffen somit in die Freiräume ihrer Mitmen- schen ein [Abb. 03]. So wurde eine kritische Haltung gegenüber Grenzen deutlich und erlebbar.
Ein weiteres Projekt beschäftigte sich mit Mini- aturszenerien auf dem großen halbrunden Platz vor dem Aasee unter dem Titel »Große Fotograf*innen und kleine Fotografien« [Abb. 04]. An selbstgewählten Orten inszenierten die Kinder mit Miniaturfiguren und Model- liermasse Mikroszenen, die sich per iPad fotografisch auf Makroebene zeigten. Die eigenen und neu erstellen Entwürfe waren vor Ort nur kurz zu sehen und konnten durch die Fotografien dauerhaft festgehalten werden.
Im dritten Projekt schafften die Kinder durch ihre künstlerischen Interventionen einen belebten Raum im Aasee. Der durch Blaualgenbildung und Fischsterben im Sommer biologisch als eher kritisch zu betrachtende Aa- see wurde hier zum Ausdruck für Ökologie und Lebens- raum. Unter dem Handlungsmodus Wasser – Pflanzen entstanden vier verschiedene Boote, die von den Studie- renden im Vorfeld angefertigt und von den Kindern mit ebenso unterschiedlicher Bepflanzung ausgestattet und zum Schwimmen gebracht wurden [Abb. 05]. Durch das unerlaubte »zu Wasser lassen« der Boote entstand eine Intervention am Aasee, die sich gestalterisch mit ver- schiedenen Kontroversen und urbanen Entscheidungen im Bereich der Bepflanzung auseinandersetzte.
Die Kinder lernten in diesem Zusammenhang nicht nur eine ungewöhnliche Herangehensweise an die Kunst im öffentlichen Raum, sondern entwickelten auch ein Verständnis für künstlerisches Arbeiten in der Öffent- lichkeit und Gesellschaft.
Mit großer Begeisterung machten die Kunststu- dierenden und die Schulkinder durch ihre künstleri- schen Veränderungen an unterschiedlichen Orten auf eine demokratische Mitgestaltung von Öffentlichkeit aufmerksam. Angeregt durch die inspirierenden künst- lerischen Arbeiten und die kooperativen Handlungsfor- men erfuhren alle Beteiligten einen Zugewinn für das gesamte Schulleben und Zugänge zu erweiterbaren Vermittlungsmöglichkeiten.
Das Bildungsformat bietet Grundlagen für eine re- flektierte Praxisforschung und liefert damit gleichzeitig Impulse zur Professionalisierung in der künstlerischen Lehrer*innenbildung. Antje Dalbkermeyer in Zusam- menarbeit mit Sabine Lenz
  01   06   2022
   


















































































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