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»Super-8-Geschichte,
-Material, -Kameras,
-Ästhetik«
Der Zufall, die Schönheit im Alltäglichen und die Entstehung eines Kurzfilms / Bioentwicklung – wie und warum funktioniert das?
Die Berliner Super-8-Filmkünstlerin Dagie Brundert war auf Einladung von Peter Schumbrutzki für zwei Wochen zu Gast in der Kunstakademie:
Für alle Teilnehmenden war der Analogfilm ziemli- ches Neuland! Sie hatten zwar teilweise schon Erfahrung mit analoger Fotografie und natürlich mit digitalem Filmen, aber noch kaum eine Super-8-Kamera in der Hand gehalten und sich auch noch nie mit der analogen Schwarz-Weiß-Filmentwicklung beschäftigt. Umso schöner war es für mich zu sehen, wie schnell und locker der Funke übersprang. Ich teilte meinen Enthusiasmus mit ihnen und in Minutenschnelle gingen die Mundwinkel nach oben. Das Interesse am Spiel, am Experiment, am Sich-drauf-Einlassen auf die spontane, scriptlose Fil- merei und an Entwickelpanscherei war geweckt. Und die Freude war groß, am Ende des ersten Tages ein Ergebnis in den Händen zu halten.
Wir entwickelten in Caffenol und in anderen Mi- schungen: mitgebrachte Gemüsereste, am Wochenende gegärtnerte Blumen, Pinkus-Bier, Gewürze (Erfahrung: starke Gewürze wie Curry, Kurkuma, Pfeffer, Chili etc. sind auch starke Entwicklungszutaten!).
Niemand entwickelte allein. Es bildete sich sehr schnell eine freudige Gruppendynamik: In der Dunkel- kammer fädelte eine Person den Film ein, die zweite Person stand daneben und zog den Film vorsichtig aus der Kassette (im komplett Dunkeln!) und nach der Ein- fädelung in die Entwicklerdose. Dann, wieder im Hellen, wog eine Person die Zutaten ab, die andere rührte die Suppe an und noch jemand stoppte die Entwicklerzeit. Nach dem Fixieren wässerten wir den fertigen Film (es sind 15 Meter!) im Wassereimer, gingen raus in den warmen Wind, entwirrten ihn, entdeckten Bilder, freuten uns ... und nach wenigen Minuten war er schon trocken.
Alle hatten Lust auf neue analoge Erfahrungen. Wir saßen, zeitlich beschränkt, im selben Experimentalboot, es gab viel zu lernen (wie ist das mit dem Silber in der Schicht? Wo sitzen die Phenole und was machen sie?), viel auszuprobieren und am Ende viel zu sehen.
Eingeleitet wurde das Seminar von Dagie Brundert, die seit über dreißig Jahren Super-8-Filme macht, mit einer Werkschau im Hörsaal, in der die Künstlerin ihre Filme zeigte und mit Studierenden ihre Position des Filmemachens diskutierte.
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Dagie Brundert und Peter Schumbrutzki
  05/ 2022
       


















































































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