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 Yasin Wörheide
»Maisfeld«
18.05.2021
Yasin Wörheide setzt ein Maisfeld in den White Cube. Die Stauden stehen lose im Carré. Das Schachbrettmuster ihrer Bodenplatten ließe sich endlos weiterdenken. Un- fertige Rendermodelle, wie skizzenhafte Andeutungen echter Pflanzen. Ihre Teile sind modular aus gelbem Ton gearbeitet und zusammengefügt. Leuchtstoffröhren stehen zwischen den Stauden, als hätten Blitze ein- geschlagen und wären leuchtend dort verharrt. Doch statt glühendem Plasma leuchten hier energieeffizien- te LED-Lämpchen. Vor der abstrakten Raumlosigkeit weißer Wände schwebt eine Reihe Smartphones. Ihre Displays zeigen malerische Bildzitate: Historienbil- der und christliche Motive, Ikonen der europäischen Kunstgeschichte. Doch statt leuchtender Pixelmatrix reflektieren hier ölgebundene Farbpigmente das Umge- bungslicht. Sie sind der Schlüssel für die Chiffren, die Wörheide durch seine Arbeiten streut: Malerei, die sich neue methodische und gedankliche Niederschlagsflächen
01 / Installationsansicht: »Johannes mein Netz­ gerät«, 2020, ungebrannte Keramik, Computer­Netz­ teil, Kaltgerätestecker, Polymita Picta­Gehäuse,
Öl, iPhone 4 »Adam«, iPhone 4 »Eva«, 2021, Öl auf Smartphone, LED­Lichtsäule, 2021
erschließt? Der digitale Pointillismus des Bildkonsums in Zeiten von Instagram scheitert am leeren Akku. Wör- heide verfestigt den Möglichkeitsraum des schwarzen Glases mit selbstverständlicher Chuzpe wieder zum singulären Bild. Das Manna regnet aus der Cloud direkt aufs Handydisplay und gerinnt zu malerischer Endgül- tigkeit. Ebenso unaufgeregt verbindet Yasin Wörheide mesoamerikanische Schöpfungsmythen mit überholter Fernmeldetechnik aus DDR-Duroplast. Sie ergeben einen posthumanen Synkretismus. Langbeinige Kunst- stoffkerle tanzen um ihr eigenes Prometheusfeuer, von den einstigen Erschaffern ihrer amalgamierten Einzel- teile keine Spur. Die Quasimenschen an den Maiskolben wachsen zu spät. Sie können nur noch mit offenem Mund zusehen. Ob sie die gottgeschaffenen Ersten der Maya- Erzählungen sind oder missglückte Genexperimente einer profitgetriebenen Landwirtschaft, lässt sich nicht bestimmen. Die Überraschung steht ihnen in die chrom- glasierten Gesichtchen geschrieben. Gottesgeschenke kommen niemals ohne Haken im Kleingedruckten der Endnutzervereinbarung.
Peter Karpinski
Yasin Wörheide
Geboren 1990 in Versmold. Seit 2012 an der Kunstaka­ demie Münster. Studierte bei Prof. Michael van Ofen. Seit 2017 Meisterschüler.
02 / »Pommes Maske«, Aluminium, 2020
  























































































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