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fahren. Ich war froh, heil in Atrani anzukommen. Der komplette Kontrast zum Vatikan: Weiße, etwas verlot­ terte Häuschen schmiegen sich an einen Felsvorsprung, verwinkelte Gässchen, ein einzigartiges Labyrinth und der Duft vom Meer. Herrlich. Zehn Minuten zu Fuß vom überlaufenen Amalfi habe ich hier eine weitere persön­ liche Oase gefunden.
Der Götterwanderweg, der von Angerola nach Po­ sitano führt, war eine der spektakulärsten Wande­ rungen, die ich je gemacht habe. Ich konnte mich nicht sattsehen an der Schönheit dieser Landschaft, wie die Küstenzunge vor mir ins Meer stach, die Zitronenhaine, die Palmen, aber auch der Reiz der Kargheit, herrlich! Der Abstieg nach Positano versprach einen exklusiven Blick, ebenso exklusiv wie das mondäne und überlaufene Positano selbst. Schnell suchte ich mir ein Boot, wel­ ches mich zurück nach Atrani brachte und wo ich das vielleicht beste Essen meiner Reise bekam: Linguine al Limone, hausgemacht. Am Tag meiner Weiterreise streikten die Busse im ganzen Land, also entschied ich mich für den Positano­Jet, ein Schnellboot, welches mich in Windeseile von Amalfi nach Salerno brachte. Von dort aus nahm ich den Zug über Napoli, Bologna nach Venedig. Dort traf ich auf eine Freundin, mit der ich die Biennale besuchte. Und dort hatte ich eine weitere tolle Unterkunft: Ein Loft mit Kanalblick in einem ehemaligen
Konvent. Nach all den vielen Eindrücken und Museen, die ich während meiner Reise gesehen habe, war ich aber auch etwas erschöpft und so beschloss ich, nach der Biennale in Murano etwas abseits der Menschenströme das Licht und das Wasser zu genießen. Wieder in einem nicht so wunderbaren Hostel angekommen, lernte ich zum wiederholten Mal spannende Menschen kennen: Ein Mitsechziger aus Chelsea, der einen Laden führte, in dem Mick Jagger öfter vorbeikam und nebenan Francis Bacon malte. Wunderbare, kurze Begegnungen mit Men­ schen aus aller Welt, die mir immer wieder einen Einblick in ihre Lebensrealitäten gaben und meinen Horizont er­ weiterten. Es ergaben sich Kontakte, auf die ich zurück­ greifen kann. Meine letzte Station war Rimini und nicht, wie geplant, Neapel. Schon nach Rom entschied ich, dass ich Neapel und den Süden verschiebe. Auf ein anderes Mal, ein neues Abenteuer zu seiner Zeit. In Rimini wollte ich reflektieren und mir Zeit nehmen, die Reise Revue passieren zu lassen, mehr zu malen und in einem Hotel­ zimmer zu etwas mehr Schlaf zu kommen. Die Nächte in den Hostels haben einen gewissen Tribut gefordert und deshalb entschied ich, dass die Adriaküste ein guter Ort war, um meine Reise zu beschließen. Eine Reise, die mich überschüttet hat mit einmaligen Kunstschätzen, mit wertvollen Begegnungen, mit beeindruckenden Na­ turerlebnissen und mit so viel Inspiration, dass ich mich freue, so bald als möglich ins Atelier zu gehen und neue Bilder zu malen. Salomé Berger
   






























































































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