Page 162 - Preview
P. 162

Mara Lilli Bohm
»Objektive Haltung«
Das Wort »Alltag« wird so alltäglich benutzt, dass die Beschäftigung mit diesem Begriff und der in ihm ver- borgenen Bedeutungswelt meist flach oder beiläufig ausfallen.
Dass der Alltag eine gewaltige Ambivalenz in sich trägt, wurde bewusst, wenn man die Ausstellung »Ob- jektive Haltung« von Mara Lilli Bohm betrat.
Sie spannte mit ihren Werken eine Farbwelt auf, die spontane Gefühle von Harmonie und Leichtigkeit entfal- ten. Nachdem man einige Momente in der Ausstellung verbracht hatte und seinen Blick und Körper durch den Raum wandern ließ, begann sich die eigentliche Wir- kungsebene der Werke zu entfalten. Es offenbarte sich, dass es mehrerer Wahrnehmungs- und Denkschleifen bedarf, ehe sich die verschiedenen Dimensionen zeigen, in denen »objektive Haltung« funktioniert.
Die reine Ästhetik zu Beginn verlagerte sich zu einer Nebenerzählung, während man durch die genau- ere Betrachtung gleichzeitig in die künstlerische Welt von Mara Lilli Bohm und in die eigene Gedanken- und Erlebniswelt eintauchte. Bohms Malereien wirken wie ein Fingerzeig auf das Potenzial der uns umgebenden
01 Ausstellungsansicht
alltäglichen Gegenstände, über ihre grundlegende Funktion hinaus verstanden zu werden. Man fühlt sich fast schuldig, dass man seinem Joghurtbecher oder der Verpackung der Lieblingsnudeln nicht mehr Aufmerk- samkeit geschenkt hat und ist zugleich froh, dass man dies durch den Besuch der Ausstellung vielleicht etwas gutmachen kann. Schweben die Objekte doch frei im Bildraum, ist es faszinierend, mit welcher Selbstver- ständlichkeit man dieselbe Skulptur in verschiedensten Kontexten sieht, sei es der Kühlschrank, die Küche oder das Kassenlaufband im Supermarkt.
Mara Lilli Bohm schafft es, dass das Medium der Malerei zu keinem Zeitpunkt seiner Eignung überprüft werden möchte. Viel mehr wird klar, wie essenziell diese für ihre künstlerische Position ist. Sie stellt sich bewusst als eine Art Filter zwischen ihre eigene These und die Betrachtenden. Das Plastische wird ausgeblen- det, während es an anderer Stelle zelebriert wird. Nie wird das große Ganze aus den Augen gelassen, erzeugen die Details einen ungemeinen Sog, sich zu verlieren. Zu sehen sind Objekte, zu spüren ist eine Haltung.
Jonas Wentzien
Mara Lilli Bohm Geboren 1996 in Aachen. Seit 2016 an der Kunstakademie Münster. Studierte bei Prof. Irene Hohenbüchler. Seit 2022 Meisterschülerin.
https://www.maralillibohm.de
  10   05   2022
       





















































































   160   161   162   163   164