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Bei der ersten Seminarveranstaltung im Winter- semester 2022/2023 ging Prof. Scherer auf die Unter- schiede und Gemeinsamkeiten zwischen der syntheti- schen Biologie und der »BioArt« ein. In der synthetischen Biologie werden Lebewesen gentechnologisch mit einer neuen, nützlichen Funktion ausgerüstet, in der »BioArt« wird mit der gleichen Technologie die künstlerische Intention zum Ausdruck gebracht. Eine Woche später konnte er berichten, dass im Oktober 2022 erstmals ein Team junger Wissenschaftler*innen und Biotechno- log*innen der Westfälischen Wilhelms-Universität mit einem Preis bei der Endrunde der iGEM (international Genetically Engineered Machine) in Paris ausgezeichnet worden ist (www.uni-muenster.de/Biologie.IMMB.iGEM/ igem-wettbewerb/index.html) (www.igem.org). Die iGEM als international tätige Stiftung versucht, die synthe- tische Biologie, deren Ausbildung und Entwicklung in einem offenen, kooperativen und gemeinschaftlichen Wettbewerb unter Studierenden voranzubringen.
Münster ist ein aufstrebender Standort der Biowis- senschaften, der sowohl in der Welt der Wissenschaft als auch in der Welt der »BioArt« wahrgenommen wird. Dank der Tradition der Skulptur Projekte ist Münster ein weltweit anerkannter Treffpunkt der zeitgenös- sischen Kunst. Wären nicht eine Universität und eine Kunsthochschule ein geeigneter Ort, im beiderseitigen Zusammenwirken dieser gesellschaftlich relevanten Diskussion Rahmen und Richtung zu geben?
Prof. Dr. Ralf Scherer
Arbeit unter dem Mikroskop an der Blüte der Arabidopsis thaliana (Acker-Schmalwand)
8Moore D, Ben-Ary G, Fitch A, Thompson N, Bakkum D, Hodgetts St, Morris
A cellF: a neuron-driven music synthesiser for real-time performance, Inter- national Journal of Performance Arts and Digital Media, 12:1, 31-43, (2016) DOI: 10.1080/14794713.2016.1161954.
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In seiner Arbeit »cellF« verwendet Guy Ben-Ary eigene Hautzellen für ein funktionierendes neuronales Netzwerk von ca. 50.000 Neuronen.
Seine Fibroblasten reprogrammiert er zu pluripo- tenten Stammzellen, die zu Neuronen weiterentwickelt werden. Die elektrische Aktivität dieser zweidimensional in einer Petrischale wachsenden Neuronen wird über eine »Multi Electrode Array« abgegriffen und analog verstärkt über Lautsprecher hörbar gemacht. Der Künstler lässt verschiedene Musiker*innen mit seinen Nervenzellen interagieren. Die akustischen Signale der Musik modulieren über einen analogen Synthesizer die Aktivität der Neuronen, es entsteht eine Art Dialog zwi- schen der Musik und den Neuronen in der Petrischale.
Ben-Ary sagt: »Dieses Werk entspricht dem narzis- stischen Wunsch nach Reembodyment, Rückverkörpe- rung. Er wollte immer Rock-Musiker werden. Jetzt ist er ein Rockstar in a Petridish. Diese posthumanistische Performance stellt die Gegebenheit der Kategorien dessen, was menschlich ist und was nicht, des Subjekts und Objekts, des Kenners und des Bekannten infrage. Wie lernfähig sind solche Systeme? Wo beginnt Be- wusstsein?«8
Diese faszinierende Installation von Guy Ben-Ary ist ein Beispiel, welches Niveau das Zusammenspiel von wissenschaftlicher und künstlerischer Forschung errei- chen kann. Die Teilnehmenden des »BioArt«-Seminars haben aus erster Hand von Dr. Rauen erfahren können, dass der Wissenschaftsstandort Münster den Finger am Puls des Fortschritts der künstlerischen Forschung eines Guy Ben-Ary hat.
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